Wie Sie Marketing Automatisierung in Ihrem Unternehmen implementieren

Marketing Automatisierung. Die automatische, doch persönliche, ja höchst menschliche 1-zu-1-Kommunikation mit Leads und Kunden. Das romantische All-In-One Wunderinstrument für jedes Unternehmen. Es sind hohe Ansprüche, die an Marketing Automatisierung gestellt werden. Und diese Ansprüche dürfen, sollen und müssen auch das Ziel einer entsprechenden Lösung sein – denn sie können erreicht werden. Wenn denn alle an einem Strang ziehen.

Der Aufstieg der Marketing Automatisierung

Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht mit Marketing Automatisierung in Berührung kommen. Bewusst oder unbewusst. Denn die Big-Player aus Retail und E-Commerce sowie große Hotel- & Flugbuchungsplattformen setzen Marketing Automatisierung bereits hocheffizient ein. Über verschiedene Kanäle, wie beispielsweise personalisierte E-Mails oder Retargeting Kampagnen auf Facebook, werden wir dadurch auf passgenaue Angebote hingewiesen.

Das Angebot an Tools, die den Einsatz von Marketing Automation ermöglichen, ist mannigfaltig. ChiefMarTech sammelt jährlich eine Auswahl an SaaS-Tools in den unterschiedlichsten Marketing & Sales Rubriken. In der Auflistung von 2019 finden sich in den Kategorien „Sales Automation Enablement & Intelligence“ und „Marketing Automation & Campaign/Lead Management“ bereits 724 Anbieter.

Global Marketing Automation Spending Will Reach $25 Billion By 2023“ – Forrester

Technologie vs. Organisation

Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass der Erfolg einer Marketing-Automatisierung stärker von der Organisation abhängt, als von der tatsächlich eingesetzten Software oder Technologie. Um in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Organisation eine Marketing-Automatisierungssoftware zu implementieren, ist es notwendig alle Stakeholder von Beginn an mit an Bord zu haben. Marketing-Automatisierung muss von jeder Stabsstelle mitgetragen werden und von Beginn an integriert sein. Deshalb fokussiere ich mich im ersten Teil dieser Serie auf die Integration in Ihrem Unternehmen.

Dabei gilt es zu bedenken, dass …

  • … Marketing-Automatisierung kein rein Marketing-getriebenes Instrument ist.
  • … die Implementierung von Marketing-Automatisierung ein Projekt ohne fixes Start- und Enddatum ist, welches kontinuierlich angepasst und optimiert werden muss.
  • … die Toolauswahl nicht alleine bei der IT liegt.

Organisation

Um Marketing-Automatisierung erfolgreich zu implementieren und fortlaufend zu betreiben, sollten Sie eine Arbeitsgruppe bilden. Diese besteht idealerweise aus Entscheidungsträgern aller betroffenen Abteilungen. Nicht jedes Unternehmen ist gleich aufgestellt, daher ist es erforderlich die jeweiligen Zuständigkeiten von Unternehmen zu Unternehmen zu adaptieren. Die folgenden Bereiche sollten jedoch unbedingt miteinbezogen werden:

Recht

Um Ihre Marketing-Prozesse zu automatisieren, werden Daten verarbeitet. Durch das ins Boot holen Ihrer Rechtsabteilung stellen Sie sicher, dass Sie aus datenschutzrechtlicher Sicht abgesichert sind. Klären Sie gemeinsam Fragen wie:

  • Wo erfolgt die Datenspeicherung? Dürfen die Daten nur On-Premise gespeichert werden oder ist eine Cloud-Lösung erlaubt?
  • Wo muss der Hersteller der verwendeten Software seinen Firmen- & Datensitz haben?
  • Welche rechtliche Zustimmung muss von einem Lead abgefragt werden?
  • Ist ein Double Opt-In erforderlich in Ihrem Unternehmen?
  • Welche datenschutzrechtliche Informationen sind notwendig?

IT & System-Administration

Für die Implementierung von Marketing-Automation müssen zunächst die technischen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten abgeklärt werden. Zudem ist Ihre IT in der Wartung der verwendeten Tools erster Ansprechpartner. Bedenken Sie Fragen wie:

  • Können SaaS-Tools in Ihre Organisation integriert werden?
  • Muss ein eigenes Data-Warehouse angeknüpft werden?
  • Welche Schnittstellen stehen zur Verfügung, um das Marketing-Automatisierungstool anzubinden und Daten anzureichern?
  • Wer verwaltet die Domain-(/DNS-)Konfigurationen und wer kann Subdomains anlegen?
  • Wer verwaltet die Website und wer kann Landing Pages erstellen?
  • Wer integriert Tracking Codes in der Organisation?

Support & Kundenbetreuer

Durch die Implementierung von Marketing-Automation ändern sich auch die Prozesse Ihres Supports und Ihrer Kundenbetreuer. Holen Sie diese Bereiche ins Boot und klären Sie Fragen wie:

  • Wer beantwortet Rückläufe der Marketing-Automatisierungskette?
  • Welche Prozesse sind notwendig, um mit Rückmeldungen umzugehen?
  • Welche Schulungen werden für das bestehende Support-Team benötigt?

Die Kooperation von Vertrieb und Marketing

Last but not Least: die beiden Hauptakteure & -profiteure einer Marketing-Automatisierung. Für die ideale Integration von Marketing-Automation müssen Vertrieb und Marketing eine Einheit bilden. Wir empfehlen jedem Kunden einen SLA zwischen Vertrieb und Marketing zu vereinbaren. In diesem SLA wird unter anderem schriftlich festgehalten, wann ein Lead ein Sales-Qualified-Lead (SQL) ist und dem Vertrieb übergeben wird oder wann und wie ein SQL zum Marketing-Qualified-Lead (MQL) zurückgestuft wird.

Des Weiteren kann im SLA zwischen Marketing und Vertrieb die Anzahl der zu generierenden Leads pro Monat festgehalten werden. Dabei sollte nicht nur ein Minimum, sondern auch ein Maximum definiert werden. Es gilt, realistisch abzuschätzen, wie viele Leads generiert werden können und wie viele vom Vertrieb abgearbeitet werden können.

In einem monatlichen Meeting der beiden Abteilungen sollte eine qualitative und quantitative Durchsicht der Leads erfolgen. Die daraus gewonnenen Learnings sind essenziell, um kommende Kampagnen oder Always-On-Kampagnen zu optimieren.

Von der Kampagnenplanung bis zum SQL: Das Marketing

Die Marketing-Abteilung ist operativ und strategisch in folgenden Disziplinen aktiv:


Aus ungelegten Eiern schlüpfen keine Hühner: Ihr Redaktionsplan

Planen Sie mindestens ein halbes Jahr voraus, welche Inhalte Sie transportieren möchten. Dadurch können Sie die passenden Offerings und Kommunikationsketten rechtzeitig anfertigen und vermeiden ein Planungsloch. Betrachten Sie den Redaktionskalender jedoch nicht als starres System, sondern adaptieren Sie diesen je nach Erfolgsmessungen von bestehenden Inhalten.


Den Mehrwert aufzeigen: Ihre Offerings

Hier gilt unsere 1-1-1-X-Regel: 1 Kampagne, 1 Landing Page, 1 Offering multipliziert (X) mit der Anzahl der Phasen im Entscheidungsprozess ihrer Customer Journey.

Planen Sie Schwerpunkt-Kampagnen und bereiten Sie die Offerings dementsprechend auf. Integrieren Sie in der Themenauswahl ihren Vertrieb und gegebenenfalls weitere Abteilungen. Erfahrungsgemäß nehmen die ersten PDF-Offerings länger in Anspruch. Lassen Sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen! Sobald die Abläufe in Ihrem Unternehmen gefestigt sind, beschleunigt sich dieser Prozess von ganz allein.


Know your customer: Ihre Kunden

Erarbeiten Sie gemeinsam mit Ihren Stabsstellen Buyer Personas, die stellvertretend für Ihre Kunden stehen. Hier gilt der Grundsatz: so wenige wie möglich, aber so viele wie nötig.

Buyer Personas umfassen sozio- & demografische Informationen, wie:

    • Demografie
      Alter, Geschlecht, Lebenssituation, Einkommen
    • Sorgen & Hoffnungen
      Welche Sorgen trägt die Persona mit sich?
      Welche Hoffnungen hat die Persona? (beruflich wie privat)
    • Interessen
      Hobbies, Sport
      Politische Einstellung
      Medien

​​​​​​Verfügt Ihr Unternehmen über die notwendigen Ressourcen, empfiehlt es sich auch explorative Interviews mit Ihren Lieferanten, Kunden und Abteilungen zu führen.


Die richtigen Informationen zur richtigen Zeit und über den richtigen Kanal: Ihre Customer Journey

Halten Sie in der Customer Journey alle Entscheidungsprozesse fest und passen Sie die Customer Journey auf die jeweilige Buyer Persona an. Welche Touchpoints hat die Persona mit Ihrem Unternehmen? Über welche Kanäle finden die Touchpoints statt? Denken Sie hier ganzheitlich von einer unbekannten Person, die über eine Werbung auf Ihr Unternehmen aufmerksam wurde, bis hin zum wiederkehrenden Kunden.


Steter Tropfen formt den Lead: Ihre Lead Nurturing Ketten

Die Lead Nurturing Ketten helfen Ihnen beim aufqualifizieren von MQLs, indem Sie Daten des jeweiligen Leads anreichern. Dies geschieht implizit und explizit durch Interaktionen des Leads mit Ihren Inhalten. Welche E-Mails mit welchen Inhalten wurden geöffnet? Welches Dokument wurde heruntergeladen?

Eine einfache Lead Nurturing Kette sollte zu Beginn aus mindestens drei E-Mails – zeitlich versetzt und mit jeweils einem Offering – starten und kann sukzessive ausgebaut werden.


Bewerten Sie Ihre Leads: Ihr Lead Scoring

Lead Scoring dient dazu, Leads zu bewerten. Je höher der Score, umso höher die Verkaufschancen. Auch wenn Sie Ihre Kunden bereits bestens kennen, beim Festlegen der Scoring Punkte werden Sie zu Beginn falsch liegen.

„100% der zu Beginn festgesetzten Lead Scoring Zahlen liegen falsch“ – Hans-Peter Manzenreiter

Dennoch benötigen Sie einen Startpunkt. Anhand der Offerings und der Lead Nurturing Kette können Sie die ersten Scores festlegen und für sich definieren. Bestimmen Sie beispielsweise wie viel Punkte das Öffnen einer E-Mail oder der Download eines Dokuments wert sind.


Know your strengths: Ihre Erfolgsmessung

Die Implementierung von Marketing-Automation bringt neue KPIs mit sich und beeinflusst bestehende. Eine der wichtigsten KPIs ist dabei die Anzahl der (qualitativ hochwertigen) Leads in den jeweiligen Phasen. Dadurch lassen sich essenzielle Fragen beantworten:

  • Wie viele bekannte Nutzer befinden sich in der Pipeline?
  • Wie viele MQLs haben Sie?
  • Wie viele SQLs hat der Vertrieb momentan zu bearbeiten?

Mit den richtigen KPIs lässt sich zudem herausfinden, auf welche Inhalte und Inhaltstypen Sie verstärkt setzen sollten. Da Marketing-Automatisierung sehr Content- & Kosten-Intensiv ist, müssen Sie messen, welcher Content am stärksten zum Erfolg beiträgt und gegebenenfalls Ihren Redaktionskalender anpassen.

Leads zu Kunden konvertieren: Der Vertrieb

Im Idealfall übernimmt Ihr Vertrieb automatisiert einen vorqualifizierten SQL und bringt diesen mithilfe der gesammelten Daten zum Abschluss. Es ist klar dokumentiert, auf welche Inhalte ein Lead reagiert, aber auch auf welche er NICHT reagiert hat. Der Vertriebs-Mitarbeiter kennt den klaren Bedarf des potentiellen Kunden bevor er den Telefonhörer zur Hand nimmt.

Um das volle Potenzial aus den gewonnenen Informationen zu holen, benötigt Ihre Vertriebsmannschaft bei der Einführung eine Einschulung. Dabei wird genau beleuchtet, welche Leads sie zu erwarten haben und wie diese abgearbeitet werden müssen. Letztendlich kommen hier Prozesse ins Spiel, wie Deals gehandhabt werden.


Konstruktiv, ehrlich & regelmäßig: Feedbackschleife zur Verbesserung der Lead-Qualität

In regelmäßigem Austausch mit dem Marketing sollten die übergebenen Leads besprochen werden. Dadurch erhält das Marketing wichtige Informationen, um die Qualität der Leads zu verbessern und optimieren zu können. Konstruktives, ehrliches Feedback hilft Ihrer Marketing-Abteilung, die richtigen Leads übergeben zu können und in weiterer Folge Ihrem Vertrieb, mehr und bessere Abschlüsse zu erzielen.


Schneller mehr erreichen: Lead-Anzahl

Sowohl die Anzahl der SQLs als auch die Anzahl der zum Abschluss gebrachten Leads soll durch Marketing-Automatisierung steigen. Dank der gesammelten Daten sollten Abschlüsse rascher möglich sein.


Schnellere Entscheidungsfindung: Time to Decision

Der Einsatz von Marketing-Automatisierung soll mittel- bis langfristig die „Time to Decision“ drastisch verringern. Halten Sie am besten VOR Beginn der Marketing-Automatisierung einen Benchmark fest, wie lange die Time to Decision derzeit beträgt und behalten Sie diese Kennzahl im Auge.


Wenn aus Leads Kunden werden: Conversions

Die Erhöhung der Conversion ist letztendlich das Ziel der Marketing-Automatisierung. Die Anzahl an Conversions soll eine fixe KPI in Ihrem Unternehmen sein. Sie ist DAS Messinstrument des Erfolgs. Die prozentuelle Angabe ermittelt die Anzahl der Leads die kontaktiert wurden im Verhältnis zur Anzahl der abgeschlossenen Aufträge. Diese Kennzahl kann auch mit dem durchschnittlichen Umsatz pro Persona verknüpft werden. Dadurch lässt sich festhalten, ob Ihre Aktivitäten hochwertigere Kunden liefern.

Sollte ein SQL nicht zum Abschluss gebracht werden, muss er wieder zum MQL zurückgestuft werden. In der Folge wird die Nurturingkette wieder gestartet.

Mit Quick-Wins die Organisation für sich gewinnen

Zugegeben, einige der oben genannten Schritte klingen auf den ersten Blick übertrieben oder kompliziert. Sie bilden jedoch das Fundament, um Marketing-Automatisierung erfolgreich in Ihr Unternehmen zu integrieren und mittel- bis langfristig davon zu profitieren. Um die gesamte Organisation ins Boot zu holen, sind Quick-Wins zu Beginn enorm wichtig.

Es empfiehlt sich im Zuge eines internen Workshops die Personas und die Customer Journey zu definieren und zu erstellen. Geben Sie jedem Stakeholder die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche einzubringen und zeigen Sie die möglichen Lösungen durch Marketing-Automatisierung auf. Beginnen Sie gemeinsam erste Leads über Formulare zu sammeln und Offerings anzubieten, um das Potenzial greifbar zu machen. Denn: Eine erfolgreiche Marketing-Automatisierung ist interdisziplinär in Ihrer Organisation angesiedelt und erfordert die Vorbereitung und den laufenden Einsatz mehrerer Business-Units.

Die Technologie ins Spiel bringen

In meinem nächsten Blog-Beitrag werde ich Sie mit dem benötigten Technologie-Stack für Marketing Automatisierung begleiten.

„Wir entwickeln gerade einen Online-Kurs mit dem Thema „Marketing-Automatisierung in meiner Organisation“. Sollten Sie Interesse an diesem Kurs haben, mailen Sie mir bitte unter hpm@506.ai und ich werde Sie selbstverständlich automatisiert darüber informieren, wann der Kurs startet.“

Hans-Peter Manzenreiter